Kennt ihr die Empfehlung „ihr bestimmt, was auf den Tisch kommt und eure Kinder bestimmen, was und wie viel sie davon essen“?
Klang für mich früher – also vor meiner Zeit als Mama – absolut fair und wurde nicht von mir in Frage gestellt. Bis mir vor einigen Tagen dieser Rat wieder in den Sinn kam und ich mir die Zeit nahm, mal ein paar Minuten darüber nachzudenken.
An diesem Abend hatte ich Brot, Butter, Käse, Hummus, Gurkenscheiben und Paprikaschnitzen auf dem Tisch. Das geschmierte Brot übersah meine Tochter geflissentlich und langte direkt in die Aufbewahrungsbox unseres Schnittkäses und zupfte sich ein Eckchen nach dem anderen davon ab, so dass es nach Sekunden aussah, als wäre ein Mäuschen darüber hergefallen. Ich konnte sie schließlich zu zwei Gurkenscheiben animieren, als diese jedoch aufgefuttert waren, fiel ihr Blick auf ihre heißgeliebte Butter, die fatalerweise vor ihrem Hochstuhl ihren abendlichen Platz gefunden hatte. Der Finger schnellte nach vorne und angelte sich ein großes Stück Butter pur… in den 4 Sekunden die es braucht die Situation meinerseits zu erfassen bis zu meinem Rufen „Haaaaalt…“ laufen folgende Dinge in meinem Kopf ab:
Butter = reines Fett, Fett macht krank, ach quatsch, da gab es doch die neue Studie wie gesund Butter ist…, Vitamin A und E sind doch auch drin, das ist wichtig, gleich ist der ganze Mund voll Fett, das ist doch eklig, sie wird es ausspucken, ne also wirklich, was sind das für Manieren mit dem Finger da rein zu tauchen…
Natürlich reichen meiner Tochter die 4 Sekunden längst aus, um die Butter aufzuessen, ist ja klar. Dann sieht sie mich groß an und fragt, „Warum darf ich nicht, Mama?“ Und dann sitz ich da und denke, „ja, warum denn nicht?“. Der Rat war doch, dass die Kinder aus allem am Tisch frei ihre Menge wählen können.
Ein kurzes Szenario schießt durch meinen Kopf. Wenn meine Tochter also immer frei entscheiden könnte, dann würde sie morgens die getrockneten Cranberrys ohne Müsli essen und ihre geliebten Blaubeeren pur dazu. Ok, das schmeckt, ist gesund, ABER… davon wird sie niemals satt und erst recht nicht hält das bis zum Mittagessen im Kindergarten an. Mittags im Kindergarten würde sie vermutlich Nudeln pur essen. Sie mag die Saucen nicht. Aber sowieso nur ein ganz kleines bisschen und wenn sie es sich aussuchen könnte, dann eigentlich gar nichts, denn das Mittagessen ist irgendwie noch nie ihre wichtigste Mahlzeit gewesen. Na gut, durch die Blaubeeren morgens vielleicht dann doch, denn sie sollte dann eigentlich am Verhungern sein. Nachmittags kommt dann definitiv der Hunger und im Kindergarten gibt es dann oft Knäckebrot mit Frischkäse oder Äpfel. Ok, isst sie beides und ist ok für mich aus ernährungsphysiologischer Sicht. Dann kommt das Abendessen. Käse und Butter. Prima. Dann fassen wir zusammen: Cranberrys, Blaubeeren, eine Gabel Nudeln, Knäckebrot mit Frischkäse, Käse und Butter. Ihr könnt euch denken, was dann passieren würde… spätestens um 2.00 Uhr in der Nacht würde mein Kind aufwachen und verlangen, dass ich ihr Nudeln mache, weil sie – oh Wunder – HUNGER hat!
Versteht mich bitte richtig. Ich glaube, dass wir Menschen eigentlich eine Intuition dafür haben, was und wie viel uns gut tut. Gerade Kinder wissen das in der Regel selbst ganz gut. Ich mache mich auch stark dafür, dass Kinder mitentscheiden dürfen, sowohl beim Einkauf ihr Lieblingsobst und -gemüse in den Wagen legen dürfen, als auch beim Kochen ansagen dürfen, auf was sie Lust haben. Man sollte ein Kind auch nie zwingen, etwas zu essen. Probieren ist bei uns Pflicht, wenn es nicht schmeckt, dann ist das ok und muss nicht weiter gegessen werden. Aber es ist aus meiner Sicht immer noch Aufgabe der Erwachsenen, eine vernünftige, gesunde und leckere Vielfalt zusammenzustellen, die den Bedürfnissen des Körpers gerecht wird. Und ein Körper im Wachstum braucht nun mal Energie, manchmal sogar eine ganze Menge davon. Und dann muss ich mit meiner Tochter sprechen und ihr erklären, dass die Butter allein eben nicht ganz so toll ist, auf ihrem Brot aber zum Held werden kann.